E 01: DER SONNTAGSGOTTESDIENST

Das Coronavirus bestimmt nach wie vor unser Leben. So auch unser gottesdienstliches Leben. Das „miteinander“-Redaktionsteam will in dieser und in den kommenden Ausgaben auf die derzeitige Gottesdienstkultur blicken und die Veränderungen, die in den vergangenen Jahren schon Einzug gehalten haben und sich mit der Coronapandemie verstärken, näher beleuchten. Dabei nehmen wir nicht nur den Sonntagsgottesdienst, sondern auch besondere Gottesdienste, wie Tauf-, Trau- und Abendmahlsgottesdienste in den Blick.

01: Wie steht´s um den Sonntagsgottesdienst?
Seit Jahren lernen angehende Pfarrerinnen u. Pfarrer, dass Gottesdienst letztlich „Kommunikation des Evangeliums“ ist. Das heißt, nicht nur der/die Pfarrer/in hält die Predigt und legt das Wort Gottes aus, sondern alle sind beteiligt und kommunizieren im Namen Jesu Christi: Musik, Kirchenraum, Lektor/in, Prediger/in, Liturg/in und natürlich die Gottesdienstbesucher/innen. Aufgrund dessen sollten diesem Ansatz nach, Gottesdienste so gestaltet sein, dass auf verschiedenste Weise Menschen von Gott berührt werden können.
Praktisch hieße das: mehr Beteiligung der Gottesdiensteilnehmenden, verschiedene Musikgenre, anschauliche und lebensnahe Predigten und vieles mehr. Das Ganze ist als ein langer Prozess angelegt, der nur Schritt für Schritt umgesetzt werden kann. Doch seit Beginn der Coronapandemie hat sich dieser Prozess nicht nur beschleunigt, sondern die Umstände haben deutlich gemacht, wo noch weiteres Entwicklungspotential liegt.

Mit dem ersten Lockdown im März 2020 und dem damit verbundenen Versammlungsverbot wurden die Kirchengemeinden schlagartig mit der Frage konfrontiert: Wie jetzt noch Gottesdienst feiern? Es ist umhin bekannt, dass die Kirche durch die Coronakrise digitaler wurde. Viele Gemeinden oder Kirchenbezirke eröffneten einen YouTube-Kanal wie beispielsweise „Good News für Hohenlohe“. Mit den digitalen Gottesdienstangeboten kamen nicht nur Fragen der technischen Umsetzung auf. Vielmehr wurden Problemstellungen, die schon seit Jahren auch den analogen Gottesdienst betreffen, neu in den Fokus gerückt. So wurden die Gottesdienste durch die Regelungen zur Eindämmung der Pandemie kürzer, innovativer und partizipativer.
Die Dauer der Gottesdienste wurde in den Hochzeiten der Pandemie auf 35 Minuten beschränkt. Die seit einiger Zeit empfohlene Dauer von 12 Minuten für die Predigt, war vor der Pandemie eine Seltenheit. Doch so waren Pfarrerinnen und Pfarrer gezwungen ihre Predigten kurz zu halten und sich auf das Wesentliche zu beschränken. Nach Meinung vieler Gottesdienstbesucher*innen hat das zu einer stärkeren Fokussierung auf das Eigentliche beigetragen. Durch die digitalen Verkündigungsformate, die in der Regel eine größere Reichweite haben als der analoge Gottesdienst, wurde die Frage nach der Zielgruppe neu gestellt. Dadurch wurden Predigten und Andachten oftmals in einfacherer Sprache gehalten, wodurch sie verständlicher und zugänglicher wurden.
Auch die Liturgie musste gekürzt und angepasst werden. Als während der ersten beiden Lockdowns der Gemeindegesang verboten war, entwickelten sich in vielen Gemeinden Alternativen. Vorsängerinnen und Vorsänger bereicherten mit ihrem Einzelgesang den Gottesdienst oder die Organisten drückten das Gesagte musikalisch aus.
Mit zunehmender Erfahrung mit digitalen Verkündigungsformaten werden Potentiale wahrgenommen, die auch im analogen Gottesdienst Anklang finden könnten. So bietet eine Andacht über „Zoom“ oder „Teams“, also als Onlinekonferenz, den Gottesdienstbesucher/innen mehr Möglichkeiten der aktiven Beteiligung.

Keine Frage, die Einschränkungen der Coronapandemie haben in vielerlei Hinsicht das gottesdienstliche Leben durchkreuzt und erschwert. Die Gemeinschaft im Gottesdienst und die Begegnung an der Kirchentür kann nicht digital oder auf anderem Weg ersetzt werden. Doch zeigt sich nun, nach über 21 Monaten Pandemie, dass durch die Einschränkungen des gängigen Sonntagsgottesdienstes neue Wege eröffnet wurden. Die Kirche ist digitaler geworden. Die Gottesdienste haben sich verändert. Mancherorts wird der analoge Gottesdienst weiterhin auf YouTube übertragen, wie bei „Good News für Hohenlohe“ und neuerdings in Gründelhardt. Unsere Gottesdienstkultur wird von diesem Digitalisierungsschub bereichert: Einerseits sind etliche digitale Angebote entstanden, die sich stetig verbessern, und andererseits profitiert der analoge Sonntagsgottesdienst von diesen Erfahrungen. Zugleich bergen jedoch die digitalen Verkündigungsformate die Gefahr, dass der analoge Gottesdienst in der Kirche zunehmend gemieden werden könnte und man sich stattdessen den Gottesdienst anschaut, wie sonstige Fernsehprogramme. Wohin uns diese Entwicklungen führen, können wir noch nicht vollends absehen. Es bleibt also spannend. Fest steht, dass der klassische Sonntagsgottesdienst nach wie vor Mittelpunkt der Gemeinde sein soll. Wie dieser gestaltet wird, unterliegt aber einem stetigen Wandel. Das haben wir insbesondere in den letzten Monaten gemerkt. Welche Vor- und Nachteile das für unsere Gottesdienstkultur hat, muss dabei stetig neu hinterfragt werden.

Was denken Sie? Wie soll er in Zukunft gefeiert werden? Haben Sie Ideen und Anregungen?
Schreiben sie mir gern an – christin.dinkel(at)elkw.de.

Ihre Pfarrerin Christin Dinkel