Anfang September waren wir mit dem Bus bei den Passionsspielen. Als Pfarrer wollte ich noch einen Ausflug mit der Gemeinde zu den weltbekannten Passionsspielen  anbieten und selbst erstmals sehen. Schon 2020 war ein Besuch geplant – nun Corona bedingt 2 Jahre später sind wir erwartungsvoll ins idyllische Oberammergau gefahren.

1700 Mitwirkende sind im 5000 Einwohner zählenden Dorf bei den Festspielen zugange. In 2 Blöcken a´ 2,5 Stunden wird gespielt. Dazwischen 3 Stunden Pause, damit auch der Leib gestärkt werden kann. Das Freilichttheater fasst 4500 Besucher und das Dach wird bei Regenwetter geschlossen. Als wir dort waren ging gerade bei der Kreuzigung ein schweres Gewitter über Oberammergau.

Zur Geschichte: Das Oberammergauer Passionsspiel geht zurück auf ein Gelübde. Im Jahre 1633 wütete die Pest in der ganzen Gegend. Sie kam auch nach Oberammergau. Die Leute suchten Zuflucht im Gebet und gelobten: Wenn das Sterben aufhört, spielen wir alle zehn Jahre das „Spiel vom Leiden, Sterben und Auferstehen unseres Herrn Jesus Christus.“

Und so hat dieses Passionsspiel also eine fast 400jährige Tradition.

Im vollbesetzten Freilichttheater beginnt das Spiel mit dem Einzug Jesu in Jerusalem. Ein paar hundert Männer, Frauen und Kinder jubeln Jesus, der auf einem Esel einreitet, zu: Hosianna! Gepriesen sei der Gesalbte!

Die Aufzüge:  Einzug Jesu in Jerusalem- Vertreibung der Händler aus dem Tempel- Jesus am Ölberg – Verurteilung – Kreuzigung etc. werden durch sogenannte stehende Bilder wie: Die Vertreibung aus dem Paradies oder: Das goldene Kalb, unterbrochen. Ein großer Chor singt quasi als Oratorium den alttestamentlichen Bezug zum Passionsgeschehen.  Im Orchestergraben wird das Aufgeführte musikalisch untermalt. Gut war es für das Verständnis, wenn man im Programmheft das Gesungene und Gespielte mitlesen konnte. In der Fülle, in der Vielgestaltigkeit und Vielstimmigkeit großartig. Für Augen, Ohren und Herzen, ja die Seelen: ein wirklich eindrückliches monumentales Erlebnis. Balsam für die ausgetrocknete Seele.

Wir waren überwältigt und waren uns einig, dass wir das Gesehene und Erlebte erst einmal im Inneren ankommen lassen müssen. Es hat jeden emotional tief angerührt.

Das Passionsspiel hat die Botschaft von Jesu Leiden und Sterben und Auferstehen als aufbauendes und bestärkendes Ereignis vermittelt. Es nimmt die Hoffnungen und Ängste heute Lebender auf.

Oberammergau, ein Dorf mit 5000 Einwohnern lebt mit  dem Gelübde seiner Vorfahren: Die Zuversicht und den Glauben an die Zukunft zu bestärken. Es ist ein „Theater des Volkes für das Volk“, das Hoffnung vermitteln will… Mit diesen Worten hat es der theologische Berater der Festspiele, Prof. Dr. Ludwig Mödl, umrissen.

Die  Oberammergauer Männer dürfen sich nun wieder die Bärte abrasieren. Die Frauen dürfen sich fragen: Wer wird beim nächsten Mal die Maria spielen? Und wir leben in Dankbarkeit  und Hoffnung dabei gewesen zu sein und „So Gott will und wir Leben“ , dass wir in 8 Jahren wieder dabei sein dürfen, dann bei den Oberammergauer Passionsspielen 2030.

Artikel von Michael Jag (Pfarrer in Ruhe)